Summ oder Stumm

More than Honey (Filmplakat Schweiz)

Der Rückgang der Bienenpopulation in China zwingt die Landwirte dort, Apfelblüten von Hand zu bestäuben: Menschen sitzen in Apfelbäumen und gehen der Tätigkeit der Bienen nach. Was für einen guten Ertrag bei Vanille im kommerziellen Anbau unerlässlich ist, erweist sich nun zunehmend als Notwendigkeit – sogar schon für eine durchwachsene Apfelernte. Zumindest in China.

Die intensive Landwirtschaft mit ihrem hohen Einsatz an Düngemitteln und Pestiziden stößt an ihre Grenzen, denn die Rendite, die ein Landwirt erwirtschaften kann, hängt bei vielen Nutzpflanzen vor allem an der Bestäubungsleistung von Hummeln und Bienen. Daneben sind es natürlich eine Menge von Mikroorganismen, die für einen gesunden Boden sorgen, Wälder, die Bodenerosion vorbeugen sowie den Wasserhaushalt regulieren und Vögel, die sich über Schädlinge hermachen.

Die moderne Landwirtschaft droht, das komplexe Ökosystem, in dem der Mensch Nutzpflanzen kultiviert, zu zerstören – und am Ende sich selbst.

Die Bestäubung ist ein besonders einprägsames Beispiel für die Bedeutung der Tiere auf die Welt der Pflanzen, denn mehr als 75 % aller Pflanzenarten sind auf die Bestäubung durch Bienen, Fliegen, Schmetterlingen, Vögeln oder sogar Fledermäuse angewiesen. Die Bestäubungsleistung ist wirtschaftlich von besonderer Bedeutung und wird je nach Quelle weltweit auf unzählige Milliarden Euro taxiert.

Die unglaubliche Summe von 350 Millarden US-Dollar haben Forscher unter Federführung des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung für das Jahr 2009 errechnet. Der Wert der bestäubungsabhängigen Agrarprodukte und damit auch der Wert der Bestäubungsleistung hat in den vergangenen Jahren immer weiter zugenommen, in manchen Regionen der Welt stärker als in anderen.

Die Honigbiene nimmt bei der Bestäubungsleistung nur einen Teil ein, wesentlich bedeutsamer sind – die Imker hören das nicht so gerne – Wildbienen und Hummeln. Aktuelle Studienergebnisse aus Großbritannien zeigen, dass nur ein Drittel der Bestäubungsleistung durch Honigbienen erbracht werden, den Rest übernehmen ihre wildlebenden Artverwandten.
Soweit sie es noch können. Denn viele Arten sterben aus, weil ihnen die Lebensräume fehlen. Allein in Großbritannien sind drei Hummelarten ausgestorben, sechs gelten als gefährdet. Zu viele Monokulturen töten die Insekten ebenso wie zu häufige Spritzungen mit Insektiziden.

Mit Pollen und Pinsel in die Bäume

Besonders dramatisch zeigen sich die Auswirkungen in den Obstgärten Chinas. Im Südwesten des Landes sind Wildbienen durch den übermäßigen Einsatz von Pestiziden beinahe ausgerottet worden; ihr Bestand ist dermaßen geschrumpft, dass die Bauern ihre Apfel- und Birnenbäume in den letzten Jahren per Hand bestäuben müssen.

Hilfreich dabei, die Überlebenschanchen von Wildbienen zu erhöhen, sind vor allem Pflanzstreifen mit Wildblumen an den Ackerrändern. Die Natur revanchiert sich dafür, denn der Einsatz von Pestiziden kann reduziert werden, weil die natürlichen Freßfeinde der Schädlinge wieder eine Chance bekommen.

Es macht durchaus Sinn, auf die Natur zu hören und den natürlichen Bestäubern eine Chance zu geben. Andernfalls wäre die Menschheit darauf angewiesen, sich überwiegend auf Lebensmittel zu beschränken, bei denen der Wind die Bestäubung vornimmt. Dies sind vor allem Getreide wie Gerste, Weizen und Mais. Für Äpfel, Birnen, Himbeeren, Tomaten und viele andere Obst- und Gemüsesorten müssten wir dann selbst zum Pinsel greifen.

Eindrücklich: More than Honey

Das Beispiel aus China in Bild und Ton zeigt der Schweizer Filmemacher Markus Imhoof. Sein eindrucksvoller Film „More than Honey“ ist bereits am 25. Oktober 2012 in den eidgenössischen Kinos angelaufen. Bei uns ist er am 8. November gestartet. Es ist ein sehr bildgewaltiger Dokumentarfilm, der zum krönenden Abschluss am diesjährigen Filmfestival in Locarno gezeigt wurde. Er fasziniert, weil die Schönheit seiner Bilder das Naturwunder Biene in den Mittelpunkt rückt. In fantastischen Makro-Aufnahmen zeigt er ihre Schönheit und organisatorische Intelligenz.

Wie man mit Bienen großes Kino macht, erzählt Regisseur Markus Imhoof in einem einstündigen Gespräch mit Dominic Dillier bei Schweizer Radio DRS: „Wenn die Bienen aussterben, wird es traurig.